Das Buch Josua besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil (Josua 1–12) berichtet über die Einnahme des Landes; der zweite Teil (Josua 13–24) berichtet über die Verteilung des Landes durch das Los unter den Stämmen.

Der erste Teil kann grob in zwei Abschnitte unterteilt werden: Der eine Abschnitt beginnt mit dem Einzug in das Land Kanaan und endet mit dem Sieg Israels über Jericho (Josua 1–6); der andere beginnt mit der Sünde Israels und ihrer Niederlage in Ai und endet mit der Aufzählung der besiegten Könige (Josua 7–12).

Von dem Einzug in das Land Kanaan bis zum Fall der Stadt Jericho, was eindeutig ein Bild von der Vernichtung des organisierten Bösen in dieser Welt ist, läuft alles in Israel in der Kraft Gottes; das Volk führt ununterbrochen den göttlichen Vorsatz aus. Würde das Buch Josua an dieser Stelle enden, hätten wir ein leuchtendes Bild von Gottes Wegen der Einführung seines kommenden Reiches vor uns.

Vom Fall Jerichos bis zur Aufzählung der besiegten Könige (Ende von Josua 12) sieht man sowohl die Wege Gottes als auch das Versagen seines Volkes.

Im letzten Teil des ersten Abschnitts des Buches (Jos 8,30–35) findet man die schöne Szene der Versammlung von ganz Israel auf den Bergen Ebal und Gerisim, wo sich das Volk, eingeführt in das verheißene Land in der Kraft des Wortes Gottes, formal unter den Gehorsam gegenüber diesem Wort stellt. Ähnlich wie auf den Sieg über Jericho die Niederlage gegen Ai folgte, fällt hier das Volk von Stärke in Schwachheit. Statt gehorsam gegenüber dem Wort Gottes zu sein, hörten sie auf Schmeichler (Jos 9) und traten in ein Bündnis mit Feinden ein – das sichere Vorspiel des Ruins.

Der Rest des ersten Teils des Buches beschreibt die Mächte Kanaans und die Eroberung durch Israel und endet mit der Aufzählung der Siege.

Der zweite Teil (Josua 13 – 24) beginnt mit den warnenden Worten des Herrn: „Vom Land ist sehr viel übrig, in Besitz zu nehmen.“ Die allgemeine Schwachheit und Trägheit des Volkes werden beschrieben, während leuchtende Ausnahmen von dem vorherrschenden Geist nicht ausgelassen werden. Das Land hat Ruhe vom Kampf, und die Anbetung des Herrn in Silo und seine Regeln der Gerechtigkeit in den Zufluchtsstädten werden eingeführt. So sind die Umstände vielversprechend für Israel, auf dem jetzt die Verantwortung liegt, das zu erobern, was sie noch nicht unterworfen hatten und das zu behalten, was sie erobert hatten – mit welchen Ergebnissen, das zeigt die folgende Geschichte!

Das Buch endet mit dem Auftrag Josuas und mit seiner Aufforderung an das Volk, sich nicht mit den Nationen zu verbinden, verbunden mit dem Wort des Herrn, der sie an seine Wege der Barmherzigkeit erinnert, gefolgt von Josuas Aufruf, die fremden Götter wegzutun; es schließt mit dem Tod Josuas und dem Ergebnis des Glaubens Josephs.

Der erste Teil des Buches Josua ist im Ganzen lebendig, voll göttlicher Energie. Es ist im Wesentlichen von Stärke in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke geprägt. Der zweite Teil ist im Großen und Ganzen Untätigkeit; und Untätigkeit angesichts des Feindes ist Versagen.

Eifer gefolgt von Untätigkeit, das ist kurz gesagt die Geschichte jeder Ära, in der Gott seinem Volk die Verantwortung auferlegt hat, eine gottgegebene Stellung aufrechtzuerhalten. Und müssen wir nicht hinzufügen, dass Eifer gefolgt von Untätigkeit auch in Kurzem ausgedrückt die Geschichte der verschiedenen religiösen Bewegungen war, die es unter Christen gegeben hat – jener Erweckungen zurück zur Wahrheit und zu Christus, die es seit Pfingsten so häufig gegeben hat?

Diese Bewegungen beginnen mit Glauben an Gott und den Folgen des Glaubens – geistliche Energie, Eifer, Selbstverleugnung und dem Geist des Sieges. Mit der Zeit entwickelt sich im Zenit der Bewegung das Ausruhen in erworbenen Vorrechten, geistliche Trägheit und die Abhängigkeit von Führern statt von Gott. Das Ende dessen, was einst eine Bewegung für Gott war, ist Verharren in väterlichen Traditionen anstelle von Gehorsam seinem Wort gegenüber und das Festhalten an gewissen Glaubensbekenntnissen statt an Gott selbst. Der Geist des Kämpfers, der sich für die Wahrheit Gottes einsetzt, ist verloren gegangen; der direkte Umgang mit Gott wird aufgegeben und Weltförmigkeit stellt sich ein; und so wie Israel sich mit den umliegenden Völker vermischte, wird die Rückwärtsbewegung einer einst göttlichen Bewegung schnell von der Welt vereinnahmt. In den letzten Etappen einer solchen Geschichte herrschen Gleichgültigkeit und Selbstvertrauen vor. Von Gott ist man nicht mehr abhängig, die Schrift ist nicht mehr die einzige Regel, die Leitung des Geistes Gottes wird geleugnet und menschliche Selbstgefälligkeit nimmt überhand. Die Erinnerungen an Vergangenes ersetzen die lebendige Energie der Gegenwart, das Federbett religiöser Bräuche ersetzt die Bemühungen um geistliches Wohl. Lässigkeit und Überheblichkeit liegen dicht beieinander in der Seele. Lauheit gegenüber den Dingen, die Gott bei seinem Volk so liebt und die Behauptung: „Ich bedarf nichts“ (Off 3,16–17) sind die zwei Kennzeichen eines verderbten Geistes.

Wiederherstellung aus diesem niedrigen Zustand wird durch Gottes züchtigende Hand bewirkt, oft hart, immer ernst. Wie beweist das Leid Israels im Buch der Richter diese Wahrheit! Und wir sollten nicht vergessen, dass dieses Leid nur die Ernte der gesäten Früchte dessen ist, was im letzten Teil des Buches Josua beschrieben wird. Gott wird nicht zulassen, dass das Aufgeblähtsein, das Prahlen, jener unlautere Zustand, den der Stolz hervorbringt, inmitten seines Volkes fortbesteht. Seine schwere, Schmerzen zufügende Hand der Regierung führt durch seine Gnade zu Selbstgericht in seinem Volk, zu Demütigung und deren ständigem Begleiter – dem Gebet. Und wenn über Sünde und Schmach aufrichtig Leid getragen wurde und die Sünde wirklich verlassen wurde, dann wird Gott wieder zur sofortigen Hilfe der Seinen, belebt ihre Herzen, stellt ihre Kraft wieder her und gibt ihnen neue Siege. Denn Gott ist Gott und Er ändert sich nicht.

Die heilsamen Belehrungen des Buches Josua, seine lebendigen Handlungen und seine ernsten Warnungen sind besonders passend für die heutige Zeit. Einerseits gibt es zahlreiche Christen, die frisch von Gott darüber belehrt werden, was wahres Christentum ist. Diese kommen in die erste Reihe als gute Streiter Jesu Christi. Sie leben, praktisch gesprochen, in dem Geist der ersten Kapitel des Buches. Wenn die Betrachtung der Vorbilder und Beispiele des Buches Josua, mit der wir hier beginnen, den Eifer solcher Gläubigen beflügelt, ihren Mut steigert oder ihren Geist unterstützt, sei Gott die Ehre dafür. Andererseits gibt es Christen, die schon manches darüber gelernt haben, was Christentum ist, die aber schlafend inmitten der Toten liegen, wie der Apostel Paulus warnend den Ephesern schreibt. Diese Christen leben, praktisch gesprochen, in der Lässigkeit der zweiten Hälfte des Buches Josua. Der Gürtel der Wahrheit schlackert ihnen um die Hüften, der Schild des Glaubens bedeckt nicht den ganzen Mann und das Schwert des Geistes wird, wenn es überhaupt getragen wird, von einem kraftlosen Arm geführt: ihr Leben ist ein Leben geistlicher Untätigkeit, ihr Dasein für Gott auf dieser Erde ein fortwährendes Versagen. Für solche haben die Warnungen des letzteren Teils des Buches Josua ihre besondere Bedeutung. Es scheint, als ob sie laut rufen würden: „Tue Buße! Tue die ersten Werke.“ „Wache auf der du schläfst und stehe auf von den Toten und der Christus wird dir leuchten.“