Josua 9

„Welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?“ (2. Kor 6,14).

Ein großer Zusammenschluss der Kanaaniter folgte dem Sturz Jerichos und Ais und der Aufrichtung des Gesetzes des Herrn inmitten des Landes. Die Völker der Berge, der Täler und der Küste versammelten sich, um „einmütig” oder „mit einer Stimme” gegen Josua und Israel zu kämpfen. Sie erkannten die Notwendigkeit, alle Meinungsverschiedenheiten fallen zu lassen und sich zu vereinen, um das eine große Ziel zu erreichen: den Sturz des Heeres des Herrn.

Unter diesen vereinigten Völkern waren auch die Hewiter mit ihren vier Städten Gibeon, Kephira, Beeroth und Kirjath-Jearim. Die Häupter dieser Städte berieten sich miteinander und beschlossen, eine List anzuwenden, um ihr Ziel zu erreichen: „sie handelten mit List.”

Es ist leichter der offenen Feindschaft des Feindes zu begegnen als seinen Kunstgriffen. Wenn sich die Mächte dieser Welt gegen einige arme Gläubige aufstellen, müssen die Letzteren entweder siegen oder sterben. Die ersten Christen standen vor den Großen und Mächtigen ihrer Tage auf und errangen aus ihrer Schwachheit Siege, wovon wir Christen bis heute profitieren. Später, in der Zeit der Reformation, besiegten wenige schwache Menschen, die Gott mehr gehorchen wollten als den Menschen, Könige, Kaiser und Päpste. Gott war für sie und in seiner Kraft und durch seine Kraft wurden die Siege errungen. Ihrem Glauben und Mut verdanken die Protestanten heute ihre Freiheit.

Doch wenn der Feind in der Verkleidung des Engels des Lichts kommt und sanfte, schmeichelnde Worte spricht und, wie in unseren Tagen, religiös argumentiert, dann lasst uns auf der Hut sein. Satan hat mehr Erfolge erzielt, indem er seinen Lolch aussäte während die Menschen schliefen, als durch alle seine Kraft, die er anwandte, um das Volk Gottes zu zerbrechen. Wenn es ihm nicht gelingt, zu zerbrechen, dann versucht er zu verderben: das sind seine Kunstgriffe.

Das „Amen” Israels auf alle Gebote des Herrn und auf die Anordnung, sich von jeder Vereinigung mit den Feinden fernzuhalten, war noch nicht ganz verklungen, als die Botschafter von Gibeon im Lager in Gilgal vorstellig wurden. Diese Botschafter hatten in den Augen der Ältesten Israels ein passendes Erscheinungsbild. Sie trugen äußerlich die Zeichen einer weiten Anreise und ihre Beweise sahen alt aus. Leute, die von weit her kommen, haben oft eine gewisse Anziehungskraft auf das Volk Gottes und verschaffen sich ein Gehör, was ihnen verwehrt worden wäre, wenn man sie besser gekannt hätte. Eine merkwürdige Faszination geht von scheinbar antiken Dingen aufgrund ihres Alters aus. Zu oft haben Dinge, die man als „alt” ansah, Dinge, die „abgenutzt, geborsten und zusammengebunden” sind, Bewunderung und Aberglauben hervorgerufen, ohne dass man gefragt hat: „Sind sie wirklich echt?” Auch heutzutage geben sich viele Christen in Bezug auf religiöse Kuriositäten mit der Frage zufrieden: „Sind sie alt?” Wenn sie bezüglich des Alters beruhigt sind, sind sie zufrieden. Nicht viele fragen: „Sind sie im Licht des Wortes Gottes echt?”, geschweige denn, was wäre, wenn sie nicht alt wären. Auch alte und schimmelige Dinge waren einmal neu, und hätte man im Lager Israels nach dem Ursprung der alten Dinge dieser Botschafter gefragt, und wer die Kleidung gewebt hat, und in welchem Land die Beeren und das Korn gewachsten sind, dann hätte die Sache vielleicht ganz anders ausgesehen.

Lasst und auf der Hut vor vertrocknetem und schimmeligem Brot sind, denn verdorbene Nahrung entstammt nicht der Fürsorge Gottes für seine Kinder. Geborstene Weinschläuche, aus denen der Wein läuft, sind wie eine Predigt, die nur die Erinnerung an eine glückliche Vergangenheit, an vergangene Freude im Heiligen Geist. Geflickte Kleidung zeigt nur, dass sie ihren Dienst erfüllt hat und entsorgt werden sollte. Die Füße der Boten Gottes sind beschuht mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens, und selbst die längste Reise kann sie nicht abnutzen. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen”, lautet das Wort des Meisters über falsche Lehrer und Führer. Wehe der Begeisterung für die vertrockneten und verschimmelten Traditionen längst vergangener Tage, und wehe der Blindheit der Menschen für die täglichen Kunstgriffe des Feindes, der sie verführen will, das lebendige Wort Gottes durch Tradition zu ersetzen!

Die alten Säcke, alten Weinschläuche, alten Schuhe und alten Kleider dieser „Botschafter” riefen bei den Fürsten Israels Respekt hervor und ihr trockenes Brot gab ihrer Mission eine feierliche Bestätigung. Die Ältesten Israels nahmen von den Lebensmitteln, benutzten ihre eigenen Augen und suchten nicht die Weisheit von Gott. Diese Hewiter benutzen die Waffen des Betrugs und der Lüge für ihre Kriegführung und mit ihnen errangen sie den Sieg.

Die ältesten Wahrheiten Gottes sind für den Gläubigen immer neu, denn sie kommen direkt von Gott. Wenn Botschafter sich uns vorstellen, wie die Hewiter dem Volk Israel, können wir sicher annehmen, dass ihr Wein im Feindesland gewachsen ist, denn Gottes Boten tragen die lebendige Enerigie und Salbung mit seinem Heiligen Geist mit sich.

Satan hat den Menschen wenig Neues anzubieten, aber er ist extrem listig und ein Meister im Verkleiden seiner Boten und im Einfärben seiner Beweismittel. Wo er das Volk Gottes nicht im offenen Kampf zerstören kann, da wird er sich hineindrängen und die Kämpfer Christi verderben. Auch in unseren Tagen und in unserem Land ist er schrecklich erfolgreich mit seinen Listen, und wird es immer da sein, wo Menschen sich der Weisheit ihrer eigenen Herzen bedienen und nicht nach dem Rat des Herrn fragen oder demütig seinem Wort folgen.

Ausgerechnet nach Gilgal – dem Lager Israels, der Ort, wo Gott gesagt hatte, dass er die Schande Ägyptens von Israel abgewälzt habe, und wo sie als Volk für Gott abgesondert wurden und von wo aus sie in den Kampf gegen die Mächte des Landes der Verheißung gezogen waren – nach Gilgal kamen die Hewiter mit ihrem waghalsigen Täuschungsversuch. Und heute kommt Satan als ein Engel des Lichts auf den heiligsten Grund, den Christen einnehmen, und es gelingt ihm durch Schmeichelei und Betrug im Lager selbst Bündnisse mit ihnen zu schließen. Er verdirbt die allerheiligsten Wahrheiten, indem er Irrtum hineinbringt, und verunreinigt himmlische Tatsachen mit dem Sauerteig böser Lehre. Der Platz, den Israel einnahm, gab ihnen keine Kraft – eine Lektion für uns Christen! Orthodoxe Formen können den Feind nicht draußen halten. Kein Glaubensbekenntnis, keine Grundsätze werden die Hewiter draußen halten; unsere einzige Hilfsquelle ist das, wozu wir so selten Zuflucht nehmen: „der Mund des Herrn”. Zwar haben die Christen keine Urim und Thummim wie Israel, aber sie haben das Wort Gottes, das ewig lebt und bleibt.

Das Wort „Bote” bedeutet „ein Scharnier”, und diese Männer bildeten in der Tat das Scharnier zu der Tür, durch die die Heiden, die Israel eigentlich zerstören sollte, in das Lager Israels eingelassen wurden. „Vielleicht wohnst du in meiner Mitte, und wie sollte ich einen Bund mit dir machen?”, sagte Josua zu den Boten. „Wir sind deine Knechte”, antworteten sie sanft. „Wer seid ihr, und woher kommet ihr?”, fragte Josua weiter. Da sprachen sie von früheren Tagen, von Kriegen vergangener Zeiten; wortgewandt redeten sie über die Wunder des Herrn in Ägypten vor 40 Jahren und von Siegen weit entfernt von ihrer Heimat auf der anderen Seite des Jordan, und nahmen Josua damit sein Misstrauen. Doch keine Silbe erwähnten diese Männer von dem Werk Gottes direkt vor ihrer Tür in Jericho und Ai; das hielten sie auf sichere Distanz. Kein Wort hatten sie über Ebal zu sagen, wo dem Wort des Herrn zugestimmt worden war; das ließen sie aus.

Satans Boten weigern sich, Gottes Siege von heute zu besprechen, die Dinge, die das Volk Gottes, wenn es im Geist wandelt, am meisten interessieren. Das Wirken Gottes in vergangenen Zeiten sind heute Geschichte, worüber die Welt gerne spricht; doch die Ergebnisse der Wahrheit Gottes in unseren Tagen, ihre heutigen Siege, ihre gegenwärtige Aufforderung zum Gehorsam – solche unbequemen Wahrheiten sollen nicht erwähnt werden. Jeder spricht über die Siege über das heidnische Rom, oder über das papistische Rom vor Hunderten von Jahren; aber die Siege des Evangeliums in der jetzigen Welt und die Autorität des Wortes über die Kinder Gottes in der Gegenwart sollen nicht erwähnt werden – so wie Jericho, Ai und Ebal von den Hewitern geflissentlich ignoriert wurden.

Satan ist ein geschickter Künstler im Vermischen von Lüge und Wahrheit und diese Hewiter waren ebenfalls geschickt. Sie hatten von dem Ruhm des Herrn gehört und von dem Sieg Israels über die mächtigen Könige Sihon und Og, das ist wahr; aber ihre Beweismittel, ihr schimmeliges Brot, ihre geborstenen und leeren Weinschläuche und ihre alte Kleidung, das war alles Lüge.

Schmeichelei bringt mehr Gläubige zu Fall als das Schwert. Wo heftiger Widerstand über zehn die Oberhand gewinnt, da überwinden salbungsvolle Worte tausend. Die Fürsten Israels akzeptierten das Zeugnis des Proviants, gebrauchten ihre eigene Weisheit und Einsicht und befragten nicht den Mund des Herrn. So trugen die Hewiter den Sieg davon.

Vielleicht haben die Boten ihr Ziel so leicht erreicht, weil sie sich an die Fürsten wandten. Manch ein hochgestellter Mann in den Dingen Gottes, mancher „Fürst in Israel”, fällt durch Schmeichelei. Schmeichelnde Worte blenden die Sicht für die Wirklichkeit. Die Stellung die jemand innehat, ist eine Gabe Gottes, doch wenn jemand die übertragene Verantwortung gebraucht, als läge seine Kraft in der eigenen Weisheit, dann steht er in der Gefahr zu fallen, weil er nicht den Mund des Herrn befragt hat. Der wahre Geist der Abhängigkeit ist oft seltener bei den „Fürsten” als bei dem Fußvolk des Heeres Gottes zu finden. Achan, ein Fürst, brachte das Verbannte in das Lager, und diese Fürsten machten einen Bund mit den Heiden und  brachten Israel in Verbindung mit ihren Feinden. Der Irrtum der Fürsten Israels wir uns in diesem Buch durch den Heiligen Geist sehr deutlich vorgestellt.

 “Zum Gesetz und zum Zeugnis!” (Jes 8,20), muss immer der Test des Christen sein, wenn er die Qualifikationen der Boten eines fernen Landes prüft. Er muss den Mund des Herrn befragen, muss die wahre Weisheit durch den Geist aus dem Wort Gottes gewinnen und den Schriften gehorchen.

Die Wahrheit kam schließlich ans Licht. Was den Anschein hatte, von weit her gekommen zu sein, war der Nachbar von nebenan. Am Ende von drei Tagen wurde der Irrtum aufgedeckt. Die Fürsten hatten das Volk unter den Bund gebracht, sie hatten den Götzendienern den Weg in den Schoß Israels geebnet und ihr Schwur musste respektiert werden. Kein Wunder, dass die ganze Versammlung gegen die Fürsten murrte; doch Gott wollte die offenbaren Lügen der Gibeoniter nicht als Entschuldigung für das Böse gelten lassen, das die Fürsten der Versammlung aufgebürdet hatten, indem sie ihre eigene Weisheit gebraucht und unterlassen hatten, sich selbst zu erniedrigen und den Mund des Herrn zu befragen. Fürsten führen in der Versammlung des Volkes Gottes, und Gott gestattet dem Übel ihrer Selbstgenügsamkeit, zu bleiben, sie konnten es nicht mehr ausreißen – was gesät wird, muss geerntet werden.

Wenn Führer in der Versammlung Gottes durch ihren Stolz oder ihre Selbstgenügsamkeit Bündnisse mit den Feinden Gottes eingehen, sei es in Form von Lehre oder in Form von Personen, muss die Versammlung die Konsequenzen tragen. Nie wieder wird die Versammlung in ihrer Treue zu Christus und in ihrer Absonderung von der Welt so gesehen werden, wie in den ersten Tagen. Das Gleiche gilt auch in beschränktem Maße für Erweckungen unter Christen, die zu verschiedenen Zeiten in Gilgal, dem Lager, Zuflucht genommen haben und von dort aus Siege errungen haben. Früher oder später kommen Satans Boten in das Lager und werden dort von den Führern empfangen, und man akzeptiert menschliche Tradition, wo allein die Wahrheit Gottes vorherrschen sollte, was Schwachheit und schließlich Verderben zur Folge hat.

Der Christ kann sich an der souveränen Gnade Gottes gegenüber diesen Hewiter erfreuen. Aber er kann sich weder an ihrem Sieg durch Lüge und Betrug noch an der Niederlage der Fürsten durch ihre eigene Selbstgenügsamkeit erfreuen. Es waren arme Heiden, die um ihr Leben kämpften, und auch wenn ihr Leben verschont wurde, waren sie doch verflucht und lebenslang unter dem Bann. Sie wurden als Sklaven dem Heiligtum gewidmet, so wie das Silber und das Gold Jerichos in einem absoluten Sinn dem Herrn gewidmet worden war.

Die Fürsten Israels unserer Tage, die Bündnisse mit Feinden eingehen, und Dinge der Welt, des Fleisches und des Teufels in die Versammlung bringen, werden nie erleben, das Gott in seiner Souveränität diese Dinge in den Dienst seines Heiligtums stellt. Im Gegenteil wird das Ende solcher Bündnisse sein, dass die Hewiter die Israeliten zu Sklaven machen werden. Mit anderen Worten werden solche Wege enden, wo die Kraft des Buches Josua endet und wo das Buch der Richter beginnt – in Bochim (“Weinen”).